Coole Sounds auf der ganzen Linie - Der Line 6 Spider 212 Combo Amp

ein Test von Hansi Tietgen

Die amerikanische Firma Line 6 gehörte mit ihren AX-Amps zu den absoluten Vorreitern der Amp Modeling-Szene. Den endgültigen Durchbruch schafften die Cyber-Gurus aus dem Silicon Valley mit dem POD, der sowohl in der E- als auch der Bass-Variante, seinen Siegeszug rund um die Welt antrat und mittlerweile zu einem Standardtool im Recording-Bereich geworden ist. Mit dem Konzept Spider bringt Line 6 die Qualität ihres patentierten Tubetone Modelings in einer Serie von Combo-Amps unter, die schon zu einem Preis über der Tausend-Mark-Grenze (Spider 112) für einen flexiblen Gitarren-Sound sorgen können. Für unseren PG Gear Check stellte Line 6 uns eine neue Variante, den Spider 212, einen Combo-Amp mit zwei 12 Zoll Speakern und satten 100 Watt, zur Verfügung.

Das Konzept
Das Erscheinungsbild des Spiders entspricht dem eines ganz normalen Standard-Comboamps. Gerade diese Entwicklung hin zu Vertrautem, unterstützte die stetig wachsende Akzeptanz der Gitarristengemeinde gegenüber prozessorgestützten Amps. Hightech-Design adé, hier funktioniert alles so, wie man es auch von seinem alten Röhrenamp her kennt. Erst der Blick hinter die Kulissen zeigt, dass hier keine normale Klangerzeugung am Start sein kann. Zu klein ist der Raum, den die Elektrik des Spiders einnimmt. Prozessor- und Mos-Fet-Technik nehmen halt nicht allzuviel Platz in Anspruch. Das grösste zu findende Bauteil ist dann auch das Netzteil, das den Amp mit der nötigen Spannung versorgt. Die Elektronik findet in einem Stahlblech-Chassis ihr Zuhause, das unter Zuhilfenahme von vier Schrauben von unten in das stabile Holzgehäuse des Spiders eingehängt wurde. Der Amp ist offen konstruiert und lässt einen ungehinderten Blick auf die zwei 12 Zoll Speaker des Combos zu. Die Vorderseite erstrahlt im typschen Line 6-Rot und featured alle Plug'n Play-Möglichkeiten des Spiders. Die Bedienelemente lassen sich hierbei in drei Bereiche unterteilen: Neben der Input-Buchse liegt die Sektion Klangerzeugung. Hier findet man, neben dem Anwahlschalter für die Amp-Modelle, die Klangregelung (Gain,Bass,Mid,Treble) und das Poti zur Einstellung der jeweiligen Lautstärken der vier, über Druckschalter anwählbaren Kanäle der Spinne. (siehe auch PG Gear Check!)

Rechts neben der Amp-Sektion hat die Effektabteilung Platz gefunden. Sie setzt sich aus drei, einzeln anwählbaren FX-Zügen zusammen (1. Modulation, 2. Delay, 3. Echo/Reverb). Die Parameter der Modulationseffekte Flanger, Chorus/Tremolo und die Delay-Effekte sind über sogenannten Smart Control-Regler einstellbar. Der Regelweg der beiden Smart Controls ist in drei Teilbereiche eingeteilt, wobei jeder der Bereiche für die Regelung eines anderen Effekts zuständig ist. Ein Beispiel: In der Grundstellung sind alle Effekte ausgeschaltet. Dreht man den Smart Control im Uhrzeigersinn auf, erreicht man den ersten Bereich der - im Falle des ersten Reglers - für die Einstellung der Effektintensität des Flangers zuständig ist. Je weiter man den Controller aufdreht, umso mehr Effektsignal wird dem Originalsound beigemischt. Nach Erreichen des Effektpeaks gelangt man in die zweite Sektion, den Chorus. Auch hier greift das eben vorgestellte Wirkprinzip. Zunächst ist der Anteil des Effekts geringt, mit stetigem Aufdrehen des Reglers steigert sich auch der Effektanteil u.s.w. . Bei den Delay- und Tremoloeffekten des zweiten Smart Control kontrolliert man auf diese Weise Parameter wie die Geschwindigkeit des Tremolos oder den Mixanteil des Delays. Im Verbindung mit dem Delay sei noch auf ein weiteres cooles Feature des Spiders hingewiesen, die Tap-Taste. Das rhythmische Drücken (in Vierteln) des Tasters, passt die Delaytime an das Tempo des Songs an, bei dem der Effekt zum Einsatz kommen soll. Das macht ein lästiges Ausprobieren der Delaytime unnötigt und stellt eine absolute Arbeitserleichterung dar. Für die Dosierung der Hall-Effekte sorgt ein einzelnes Poti.

Den Abschluss der Bedienfront bildet der Mastervolumen-Regler plus Pedal-Anschlussbuchse, Köpfhörer/Line-Out-Buchse und Powerswitch.

Die Klangerzeugung
Wie eben schon erwähnt, basiert die Klangerzeugung auch bei den Spider Amps auf dem von Line 6 entwickelten TubeTone Modeling.

Kurz noch ein paar Details zur Klärung des Begriffs Modeling: Unter diesem Label firmieren all jene Amps, deren jeweilige Klangerzeugung auf dem virtuellen, genauer gesagt softwaregestützten Nachbilden der Klangeigenschaften echter Amps basiert. Um dabei möglichst authentische Resultate zu erzielen, karrten die Herren Ingenieure die heißesten Klassiker der Amp-Szene in ihre Analysing Studios und nahmen jedem der Boliden eine Art digitalen Fingerabdruck ab.

Das softwaregestützte Nachbilden eines Amps ist also nichts anderes als das Übersetzen der Klangeigenschaften der angesagtesten analogen Ampdesigns der letzten Jahrzehnte, in den Cyberspace. Der Vorteil dieses Unterfangens liegt auf der Hand: Durch das clevere Ausnutzen modernster Software-Konzepte erhält man ein All In One-Gerät mit einem Klangspektrum, von dem man bisher nur träumen konnte. Da es Mr.Chip dabei vollkommen egal ist, ob er jetzt einen Fender Twin Reverb oder einen Mesa Rectifier simulieren soll, liegt dem gewogenen Gitarristen/Bassisten - per Knopfdreh - die grosse, weite Welt der Gitarrenamps zu Füssen. Und das ohne Schlepperei und Kontoüberziehen

Der Spider verfügt über sechs verschiedene Grundsounds, die anhand eines Drehreglers einzeln anwählbar sind. Jeder der Sechs, basiert dabei auf einem anderen Klassiker der Amp-History.

Clean: Dieser Sound ist ein Hybride aus dem klassischen Cleansound der legendären Fender-Amps und dem vollen High-End Sound der Verstärker aus der Schmiede von Lötkolben-Guru Howard Dumble, der mit seinen Kreationen schon Gitarristen wie Robben Ford, Eric Johnson oder Larry Carlton glücklich machte (siehe auch PG Larry Carlton-Interview)

Twang: Wieder ein Hybrid-Sound. Diesmal mischte man den charaktervollen Sound des Fender Blackface Deluxe, mit dem Bottom eines 50er Fender Bassman. Heraus kommt ein cleaner Sound, mit coolen Höhen und Durchsetzungsvermögen, der erst bei hartem Einsatz des Drive-Reglers an die Zerrgrenze gebracht werden kann.

Blues: Dieser Grundsound basiert auf dem 1965er Marshall JTM-45 Bluesbreaker Begiebt man sich in stärker angezerrte Regionen, schwenkt der Sound in Richtung Budda Twinmaster um.

Crunch: Für diese Abteilung stand der Sound eines 68er 50 Watt Marshall Plexi Amps Pate. Dank der von Line 6 verbesserten Klangregelung steht eine breite Palette cooler Crunch-Sounds zur Verfügung. Bei höheren Drive-Raten ist ein Heavy-Chordsound im typischen AC/DC Malcom Young Stil möglich.

Recto: Wie der Name schon vermuten lässt, wurde hier der Amp der Jungen Wilden gescant: Der Mesa Dual Rectifier. Power pur ist also angesagt, mit einer ordentlich zupackenden Klangregelung, für ein "Mehr" an Variationsmöglichkeiten.

Insane: Wer es auf die Spitze treiben will, der wählt diesen Grundsound. Hier gibt es Gain, Power und Druck bis der Arzt kommt!

Die Praxis
Damit du dir ein umfassendes Bild von der Soundqualität des Amps machen kannst, haben wir dir in unserem interaktiven Testformat - dem PG Gear Check - einige Hörbeispiele anzubieten, die dir die 6 Grundsounds des Spiders in der praktischen Anwendung vorstellen sollen. Eine Auflistung der verwendeten Sounds findest du im Gear Check. Nähere Details zu den Aufnahmen kannst du dem folgenden Kurzreport entnehmen.

Der PG Gear Check Soundfahrplan:
1) Crunch_Flanger - In unserem ersten Beispiel geht es ziemlich crossovermäßig zu. Alle Basissounds liefert uns der Spider Crunch-Kanal. Das Single-Note-Riff des Hörbeispiels habe ich in guter, alter Morello-Manier, mit einem dezenten Flanging veredelt und mit dem mittleren Single-Coil Pick-Up einer Music Man Axis Super Sport zum Besten gegeben . Um der zweiten Gitarrenstimme, einem straight gespielten E -Dur-Akkord, die nötige Durchsetzungskraft zu geben, habe ich das Gain (Drive) des Crunch-Kanals voll aufgedreht. Effektmäßig gibt es hier nur eine kleine Prise Reverb auf die Ohren. Im dritten Track läuft es umgekehrt. Ich regle den Drive soweit herunter, dass ein nahezu cleaner Sound entsteht und schon geht - mit einem E9er Akkord - der Funk ab!

2) Recto_Insane - Das zweite Beispiel das wir für dich in unserem interaktiven Gear Check hinterlegt haben, ist ein metallicamäßiges Riffthang in E. Die Rhythmusgitarre wurde gedoppelt und featured den Recto Sound des Spiders plus sehr dezentem Hall-Anteil. Für die Leadklampfe habe ich den gnadenlosen Insane- Channel ausgewählt. Hier wurde, zusätzlich zum äußerst vorsichtig verwendeten Hall, auch noch eine Prise Line 6 Delay hinzugefügt. Abgenommen habe ich den Amp mit einem Shure SM-57.

3) Recto_Clean - Aber auch der Recto-Sound des Spiders eignet sich sehr gut zum solieren. Die nötige Begleitpower liefert ein Rhythmusgitarrentrack, den ich mit dem cleanen Kanal, einem Fenderamp Soundalike, an den Start gebracht habe. Für die besondere Attitüde sorgt der integrierte Tremoloeffekt des Spiders. Das Solo habe ich, wie eben schon erwähnt, mit dem Recto-Sound plus Delay/Reverb auf die Platte geb(r)annt.

4) Twang_Blues - Das wirklich Herausragende am Sound des Spiders ist sicher die Tatsache, dass er das Klangverhalten der jeweils verwendeten Instrumente und Pick-Up-Einstellungen in keiner Weise verfälscht, sondern sie - im Gegenteil - noch unterstreicht. Gerade der Blues-Kanal des Amps überzeugt durch seinen charaktervollen Sound und inspiriert zu ausgedehnten Blues-Impros. Die Rhythmusgitarre des PG Gear Check-Beispiels featured das Twang Model des Verstärkers.

Die Zusatzfeatures
1) Neben den eben schon erwähnten Tap- und Smart Control-Funktionen, bietet der Spider mit seinem kombinierten Phone/Line Out eine Vielzahl zusätzlicher Einsatzmöglichkeiten. Die Qualität des anliegenden Line Out-Signals des Amps steht der des Pods in nichts nach und erlaubt problemlos alle Arten von Direct-Recordings. Die beiden Speaker des Spiders werden in diesem Mode abgeschaltet.

2) Jeder Sound lässt sich, in all seinen Details, als User Sound abspeichern. Der Amp bietet vier Speicherplätze. Die gespeicherten Sounds lassen sich einzeln, durch vier Taster abrufen (A,B,C,D). Das Speichern eines Sounds gestaltet sich hierbei mehr als einfach. Nachdem man seinen Traum-Sound gefunden hat, hält man einen der Speichertaster ca. 3 Sekunden gedrückt und schon merkt sich der Amp alle Soundparameter, von der Klangregelung bis hin zur Einstellung aller Effektparameter.

3) Als Zubehör bietet Line 6 zwei unterschiedliche Floorboards. Die Basisvariante, das FB4 Foot Pedal schaltet die vier, im Spider intergrierten Speicherplätze. Gleichzeitig lässt sich die Tap-Funktion verbedienen.

Das grosse Line6 Floorboard liefert, neben zwei Expressionpedalen für Wah- und Volumencontrol, weitere Speicherplätze für User-Sounds. Mit Hilfe des Pedals stehen 12 Sounds, verteilt auf drei Bänke à 4 Speicherplätze zur Verfügung. Außerdem lässt sich auch hier die Tap-Funktion fernbedienen und ein zusätzlicher Tuner aktivieren.

Fazit: Mit der Spider Model-RReihe bringt Line 6 die hervorragende Sound-Qualität des Pod in die reale Welt. Sechs unterschiedliche Amp-Modelle in Verbindung mit der Leistung einer 100 Watt Stereo Mos-Fet-Endstufe - verteilt auf zwei 2x 12 Zoll Speaker - sorgen dafür, dass man ab sofort jederzeit und überall auf die bewährten Line 6 TubeTone-Simulationen zurückgreifen kann. Drei integrierte Effektzüge (Modulation/Delay/Reverb) und ein sehr braubarer Line Out, machen den Spider zu einem vielseitigen Tool für alle Lebenslagen - egal ob auf der Bühne, im Studio oder im Proberaum. Die Qualität der Effekte kommt, gerade durch die Stereoauslegung des Spiders, besonders zur Geltung. Effekte wie Ping Pong-Delay oder Chorus werden von den beiden 12er Speakern perfekt in die Tat umgesetzt.

Besonders herauszuheben sind interessante "Bedienhilfen" wie die Tap- und die SmartControl- Funktion. Sie gestalten den praktischen Einsatz des Amps und seiner integrierten Features überaus komfortabel und lassen jede Session zu einem echten Vergnügen werden .

Hersteller: Line 6
Typ: Spider 212 Combo
Leistung: 100 Watt (2x 50 Watt Stereo)
Speaker: 2x 12" /8 Ohm Line 6
Konzept: Virtueller Amp Modeler mit integrierter Mos-Fet Endstufe
6 Basissounds (Clean,Twang/Blues/Crunch/Recto/Insane)
Effekte: Flanger;Chorus,Tremolo,Delay,Reverb
4 Speicherplätze (A,B,C,D) Grösse: 67 x 52 x 28 cm
Gewicht: 24,5 Kg
Preise: Spider 212 969,- Euro, Floorboard mit Zubehör 369,- Euro, FB-4 129,- Euro

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