Meister aller Klassen!

Das Marshall JVM410H Head

Mit dem brandneuen JVM 410H präsentierte die britische Verstärkerschmiede Marshall auf der Musikmesse in Frankfurt das neues Flaggschiff ihrer Vollröhrenamp-Range. Wenn du wissen willst, was der programmierbare 4-Kanaler für dich tun kann und ob er hält was seine Papierform verspricht, dann bist du hier bestens aufgehoben. PG hat den 100 Watt Alleskönner für dich intensiven Tests unterzogen.

Robustes schwarzes Vinyl, ein goldenes Panel mit den typischen Potiknöpfen, dominiert von einem Logo, das seit Jahrzehnten den Look des Rock 'n' Roll entscheidend mitprägt - das Styling des neuen JVM 410H ist Marshall pur und weckt so schon auf den ersten Blick heimelige Gefühle! Aber auch die inneren Werte sind typisch Marshall: So finden die neun verbauten Röhren (5x ECC83, 4xEL34) und die aufwändige Elektronik des Amps auf einem hochwertigen Stahlchassis eine sichere Heimstatt. Neun Röhren! Auch die Klangerzeugung des Briten lässt sich also mit ruhigem Gewissen als traditionsbewusst bezeichnen!

Trotz der Flut von Bedienelementen macht das Panel des JVM einen sehr aufgeräumten Eindruck. Die Regler und Schalter teilen sich, sauber getrennt nach ihren jeweiligen Funktionen, in sechs Sektionen ein. Rechts stehen die Bedienelemente der vier Basiskanäle in Zweierreihe zur Verfügung, links warten, ebenfalls zweireihig angeordnet, die Schalter und Regler der Master/Effektabteilung auf ihren Einsatz (siehe auch PG Gear Check). Wir halten also fest: Der JVM ist ein Vierkanaler mit getrenntem Klang-, und Lautstärkemanagment für jeden Kanal. Doch das ist noch lange nicht alles. Jeder der vier Kanäle (Clean, Crunch, OD1, OD2) des Amps splittet sich in je drei Modi, wobei jedes von ihnen einen vollkommen autarken Grundsound liefert. Summa sumarum stehen also zwölf unterschiedliche Klangwelten zur Verfügung. Angewählt werden die Modes über so genannte Mode-Schalter. Vier an der Zahl - für jeden Kanalzug einen. Trotz des opulenten Soundangebots hat Marshall das eigentliche „Auswahlverfahren“ narrensicher gelöst. Ein farbiges Leuchten im Modeschalter des gerade aktiven Kanalzugs gibt Auskunft über den momentan scharfgeschalteten Modus (grün, orange, rot). Dabei ist jeder der zwölf Grundsounds des JVM ein echtes Unikat. Marshall erreicht dies auf eine grundehrliche Weise, die zum grundsätzlich puristischen Ansatz der Klangerzeugung des JVM passt: Beim Umschalten der Modi werden komplette Schaltungslayouts geändert, Gainstufen zu oder weggeschaltet und die Klangregelung im Signalweg verschoben bzw. in ihrer Funktion variiert. Das Ergebnis sind zwölf Modes, die sich in ihrer jeweiligen Topologie (und damit auch in ihrem Klang und Verhalten) mitunter erheblich voneinander unterscheiden. Und genau dieser Ansatz bildet die Basis für die extreme Flexibilität des Amps – ganz ohne den „reinen“ Weg zu verlassen. Der JVM bietet die typischen Röhrenschaltungen verschiedener Verstärker in einem einzigen Gerät -alles realisiert in purer Vollröhrentechnik!

Zum besseren Verständnis wollen wir uns die einzelnen Modes und ihre jeweilige Struktur jetzt einmal im Detail anschauen:

1. CLEAN KANAL

CLEAN GREEN MODUS: Genau wie die angesagtesten Cleanamps der Amphistorie zieht das cleanste der drei Modis des Cleankanals seinen Sound aus einem einfachen, sehr geradlinig arbeitenden Schaltungslayout. Der Volumenregler wird dabei komplett aus dem Signalweg entfernt – ein typisches Merkmal der angesagtesten Vintageamps der Welt.

CLEAN ORANGE MODUS: Durch das Addieren einer weiteren Gainstufe nach der Klangregelung, erhält der Sound mehr Punch und der Amp lässt sich einfacher übersteuern. Anders als im grünen Modus, der ohne Volumeregler auskommt, ist der Regler im orangen Modus wieder funktionsfähig. Durch diese Anordnung lässt sich der Pegelunterschied zum ultracleanen grünen Cleanmodus und seine orangeroten Kollegen perfekt angleichen.

CLEAN RED MODUS: Der dritte Modus pusht den Sound noch mehr und wird so zu einer Art Pseudo High Gain Kanal , mit einer zusätzlichen Gainstufe (der zweiten!) nach der Klangregelung.

In Anlehnung an klassische Cleanamps hat Marshall alle drei Cleanmodes mit einem sogenannten Pregain Tonestack, einer Klangregelung die vor der Hauptgainstufe arbeitet, ausgestattet, ein echtes Novum für Marshallamps, bei denen die Klangregelung im Normalfall hinter der Hauptgainstufe angesiedelt ist. Durch die Position vor der Hauptgainstufe übernimmt die Klangregelung nicht nur die Aufgabe den Tone des Kanals zu kontrollieren – sie wirkt auch auf das gelieferte Gain und damit die Verzerrung (Details, siehe Praxis)

2. CRUNCH KANAL

In diesem Kanalzug arbeitet die Vorstufe des JVM wie ein typischer Marshall-Preamp: erst Gain dann Tone ist angesagt. Das gilt übrigens auch für die OD1 und OD2 Kanäle.

CRUNCH GREEN MODE: Der Modus bietet die Preamp-Topologie der legendären Marshall JTM45/1959 Plexi Modelle ( Gain+Gain+Tone)- allerdings mit einer Spur mehr Gain als bei den klassischen Originalen!

CRUNCH ORANGE MODE: Dieser Modus ist eine Reminiszenz an den Marshall JCM800 2203 – den ultimativen Hardrockamp. Die orange Gainstruktur ist Gain+Gain+Gain+Tone.

CRUNCH RED MODE: Bietet die selbe Topologie wie der Orange Mode, jedoch mit noch mehr Gain. Das Ergebnis ist eine Performance, die an einen aufgemotzten Hot Rodded JCM800 erinnert.

3. OD1 Kanal

OD1 GREEN MODE: Der gelieferte Ton erinnert an den Hot-Rodded JCM800 Sound des CRUNCH RED Modes. Auf diese Weise bekommst man die Möglichkeit zwei unterschiedliche und irgendwie doch ähnliche Crunchsounds einzustellen - einen in jedem der beiden Kanäle.

OD1 ORANGE MODE: Der Orange Mode erweitert die OD1 Green Schaltung um eine zusätzliche Gainstufe – die ideale Basis für singende Leads und knallende Rock/Heavy Metal Sounds.

OD1 RED MODE: Der Turbolader für den OD1 Orange Tone ist die erste Adresse wenn es um HiGain Marshallsounds geht.

4. OD2 Kanal

Der Kanal ähnelt dem OD1, kommt allerdings mit noch mehr Gain und einer etwas modifizierten Klangregelung. Die Zenterfrequenz des Mittenregels wird von marshalltypischen 650Hz auf 500Hz abgesenkt. Das Ergebnis sind 3 HiGain Modes die sich ideal dazu eignen, alle erdenklichen Lead- und Modern Metal Sounds kompromisslos an die Luft zu setzen.

Programmierbar

Um die umfangreichen Möglichkeiten des Amps optimal nutzen zu können, ist eine Programmieroption fast schon ein Muss. Und auch in dieser Hinsicht haben die Marshall-Techniker ganze Arbeit geleistet und dem Amp ein Schalt- und Speichersystem auf den Leib geschneidert, dass einfach zu bedienen ist und alle wichtigen Funktionen einschließt. Der Ansatz bleibt dabei „Halbleiter- und Vca-frei“, denn sämtliche Steuerungen, die Kanal- und Mode-Schaltungen, das Zuschalten des parallelen Effektwegs, Masterumschaltung, die Aktivierung des Reverb usw. erfolgen ausschließlich über Relais. Dadurch bleiben die Qualitäten eines reinen Röhrensignalweges zu 100% erhalten. Für jeden einzelnen der zwölf Grundsoundmodi (drei pro Kanal) lassen sich die wichtigen Schaltrelaisfunktionen (Signalrouting und die Hall-, Effekt- und Mastervolumenwahl) frei abspeichern. Die Arbeit mit dem Amp ist eine sehr intuitive Angelegenheit. Beim Schalten in einen der zwölf Grundsounds wird jeweils die letzte aktive Schaltrelaiskonfiguration gespeichert, so dass beim späteren Abrufen des Modes stets das passende Soundsetting aktiv ist. That's it! Um Einbußen am Sound zu verhindert hat Marshall bewusst auf eine Programmierbarkeit der Klangregelung verzichtet. Auch der Einsatz von motorisierten Potis kam nicht in Frage, da diese viel zu träge arbeiten und so die Umschaltzeiten unnötig verlängern würden.

Trotz der verbauten Relais geht das eigentliche Umschalten zwischen Modes und Kanälen absolut geräuschlos von statten – und das auch bei extremen Gain-Settings. Und auch Wartezeiten sind kein Thema. Umschalten und weiterrocken heißt die Devise. Schön ist, dass das integrierte Digital-Reverb so programmiert wurde, dass der gelieferte Hall bei jedem Umschalten die Chance bekommt ausklingen zu können und nicht – wie bei einigen anderen Amps mit Digitalhall üblich- abrupt unterbrochen wird. Das macht den Soundwechsel sehr harmonisch und weich. Der Effektanteil lässt sich mit tatkräftiger Unterstützung von vier Reglern in der Mastersektion, separat für jeden Kanal einstellen.

Das Digital-Reverb des Amps liefert einen qualitativ hochwertigen Hall-Effekt mit einer enormen Dichte und einem sehr warmen Unterton. Das Effektsignal wird in einer Röhrenschaltung zugemischt. Lediglich die Effektsignalseite des Einschleifweges (welche ja ohnehin die Signalprozessoren des Effekts durchläuft) ist mit einem MosFet gepuffert. Um die Qualität seines Sounds braucht man sich also keine grauen Haare wachsen zu lassen – der JVM bietet vom Eingang bis zu den Ausgangbuchsen einen rein Röhrensignalweg. Den MosFet kann man da schon verschmerzen. Und wer es 100% pur will, der nimmt den Effekt halt mit dem entsprechenden Taster in der Mastersektion komplett aus dem Rennen. Einen Unterschied in der Qualität wird man so allerdings nicht vernehmen. Der JVM „merkt“ sich übrigens in welchem Kanal der Hall aufgeschaltet wurde und aktiviert den Effekt bei jeder Rückkehr in den entsprechenden Kanalzug automatisch mit.

Das Fußboard

Hirn und Schaltzentrale des JVM ist der im Lieferumfang enthaltene 6-fach Fußschalter. Hirn deshalb, weil alle Presets und Informationen nicht im Amp selber, sondern im Board gespeichert und verwaltet werden. Eine clevere Sache, denn so hat man zum Beispiel die Möglichkeit sein Fussboard an einen anderen JVM anzuschließen und kann – trotz Fremdamp- trotzdem auf die eigenen „Signature-Sounds“ zurückgreifen. Eine weiterer Vorteil ist die Tatsache, dass sich das Fussboard, trotz seiner umfangreichen Möglichkeiten, mit einem normalen Mono-Gitarrenkabel an den Amp anschließen lässt. Sollte man sein Kabel also einmal vergessen haben, oder auf einer Bühne kurzfristig eine größere Distanz zwischen Board und Amp überwinden müssen als gewohnt, kann jedes handelsübliche Standard-Monoklinkenkabel in (fast) beliebiger Länge eingesetzt werden. Ein Superidee, die sich im Musikeralltag schnell bewähren wird.

Mit dem 6-fach Fußschalter lassen sich komplette Soundsettings abspeichern und dann ganz einfach per Fußkick wieder abrufen. Die Funktionsweise des Boards unteilt sich in zwei Modi, Preset Store und Switch Store genannt. Im Preset Store Mode können sechs verschiedene Settings - jedes einzelne bestehend aus den Parametern Kanalwahl, Auswahl des aktiven Modus, Aktivierung des Reverb, des Effektloop und die Wahl des Mastervolumens - den sechs Tastern des Stageboards zugeordnet, und per Fußkick abgerufen werden - und zwar nach Belieben.

Im Switch Store Mode lässt sich alternativ auf jeden der sechs Fußtaster eine beliebige Schaltfunktion der Verstärkerfrontplatte spiegeln. Die gerade aktiven Funktionen werden dabei, korrespondierend mit der Frontplatte, auf dem Stageboard angezeigt. Der Amp reagiert jetzt also exakt so, als ob man den entsprechenden Frontpanelschalter direkt betätigen würde. Beide Modes lassen sich übrigens auch mischen, so wie dies in unserem Soundbeispiel gemacht ist.

Da der JVM auch „MIDI versteht“ können User von Multieffektgeräten oder Midi-Looper alternativ alle erdenklichen Soundsettings per Programmwechselbefehl abrufen. Hierfür stehen insgesamt bis zu 128 MIDI-Presets und alle 12 MIDI Kanäle zur Auswahl. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass sich der JVM optimal in bereits bestehende Setups einbinden lässt.

Die Rückseite

Aber auch das Rear-Panel des JVM bietet mehr als nur den Standard. Los geht es mit nicht weniger als fünf Speaker-Anschlussbuchsen, die jedes erdenkliche Boxen-Setup unterstützen (1x 16 Ω, 1x 4 Ω, 2x8Ω, 1x8 Ω, 2x16Ω). Außerdem ist der Amp mit einem seriellen/parallelen Effektweg ausgestattet, der etliche praktische Zusatzfeatures bietet. Beispielsweise lässt sich der jeweilige Effektanteil mit einem MIX-Regler frei bestimmen. Steht der MIXREGLER auf WET, wird das komplette Signal durch den Effektweg geleitet. Der Effektweg arbeitet jetzt also quasi seriell. Je weiter man den Regler in Richtung DRY dreht, umso größer wird der Anteil des unbearbeiteten Direktsignals. Das macht es möglich den Effektanteil frei zu bestimmen. Und da der Effekt „nur“ zugemischt wird kann man sich sicher sein, dass die Qualität des Hauptsignals nicht darunter leidet.

Ein separater +4dBu/-10dBV Schalter macht es möglich den Effektweg so zu konfigurieren, dass er ein Signal liefert, das sowohl professionelles Equipment (+4dBu Einstellung), als auch Effekte auf Gitarrenlevel (z.B. Effektpedale, -10dBV Einstellung) optimal bedient. Bei Bedarf lässt sich der Effektweg mit Hilfe des FX Loop Tasters vom Frontpanel aus komplett aus dem Signalweg entfernen – und zwar rückstandslos per Hardware-Bypass. Der Amp ist außerdem in der Lage den jeweiligen Status des parallelen FX-Weges für jedes der zwölf Modi separat zu speichern. Das heißt sobald man von einem Modus in den anderen schaltet, wird automatisch auch der letzte in diesem Mode gefahrenen FX-Status wieder hergestellt.

Doch das ist noch nicht alles was der JVM in Sachen Effekteinbindung zu bieten hat. Der Amp kommt nämlich mit einem zweiten, passiven Effektweg der vor den Masterreglern sitzt. Dabei handelt es sich um einen seriellen Line-Level Effektweg, in dem ausschließlich professionelle High Headroom Geräte eingeschliffen werden sollten. Die Loop ist so konfiguriert, dass man über den Returneingang direkten Zugriff auf die Endstufe des JVM hat. Da die Preampsektion des Amps dabei komplett umschifft wird, kann man so beispielsweise einen externen Preamp über die Endstufe des JVM laufen lassen. Mit Hilfe der BYPASS-Taste lässt sich auch der serielle Effektweg rückstandslos aus dem Signalweg entfernen. Anders als beim seriellen/parallelen Effektweg ist diese Option hier nicht programmierbar.

Ein weiteres praktisches Feature, das auf der Rückseite des Amps auf seinen Einsatz wartet, ist der speakeremulierte Line-Out. Das hier „gespendete“ Signal ist elektronisch symmetriert und mit einer hochwertigen 4x12“ Lautsprechersimulation bearbeitet, so dass es sich ideal für alle Direkt-Recording und Ins-Pult Situationen eignet. Cool ist, dass der Line-Out auch im Standby Modus ein Signal liefert. Der Standby wirkt also nur auf die Endstufe, die gesamte Vorstufe bleibt voll funktionsfähig. Man kann seine Riffs also „ohne Ampsound und Box“ aufnehmen - gerade im Homestudio eine feine Sache. Bevor man den Standbyschalter zurück in die On-Position bringt, sollte man allerdings unbedingt sicherstellen, dass eine Box mit passender Impedanz angeschlossen ist. Sonst kann es rauchen! Die nächsten beiden Features der Rückseite stehen ganz im Zeichen „des MIDI“. Die MIDI In Buchse dient dem Anschluss externen MIDI-EQUIPMENTS. Eine Kopie des eingehenden Signals wird an die MIDI Through Buchse weitergeleitet, so dass sich mehrere MIDI-Geräte hintereinanderschalten lassen: Der JVM wird dabei ausschließlich MIDI-Daten empfangen und nicht MIDI-Daten generieren oder senden!

Praxis

Für den Praxistest des Amps und die Aufnahmen der Audios in den Flash-Animationen kamen eine LAG AF200, eine MUSIC MAN SILHOUETTE SPECIAL und eine MUSIC MAN AXIS SUPER SPORT zum Einsatz.

Klar, es gibt viele Amps die ein breites Soundspektrum liefern können – und dabei programmierbar sind. Doch die Crux ist oft, dass solche Amps entweder superteuer sind, oder so viel Halbleiterkrempel im Signalweg herumhängen haben, dass die Sounds massiv darunter leiden. Und was nutzen Tonnen von Sounds, wenn jeder einzelne nicht wirklich zu überzeugen weiß. Und genau diesen Aspekt hatten die Ampdesigner im Hause Marshall während der Entwicklung des JVM Konzepts permanent im Auge. Das Ergebnis ist ein Amp, der zwar eine enorme Flexibilität in Klang und Einsatznutzen bietet, in Sachen Klangerzeugung aber einen 100% vollröhrigen Weg beschreitet.

Und schon beim schnellen Überfliegen der zwölf Modi wird klar: Das Projekt ist gelungen! Der JVM ist ein Hans Dampf in allen Gassen. Und das ist wörtlich zu nehmen! Schon der Clean-Kanal ist eine Total-Offenbarung. Im Green Mode wird der Volume-Regler aus dem Spiel genommen. Die Lautstärke (und damit auch die Performance) lässt sich also komplett über den Gainregler kontrollieren – typisch für klassische Vintageamps. Typisch für die ganz großen Cleanamps der Verstärkergeschichte ist auch ein weiteres Detail des Clean Modes: eine Klangregelung, die vor der Hauptgainstufe arbeitet (Pregain Tonestack ). Für Marshall ein absolutes Novum, denn nahezu alle Marshallamps sind umgekehrt konfiguriert.

Durch die Position vor der Hauptgainstufe übernimmt die Klangregelung nicht nur die Aufgabe den Tone des Kanals zu kontrollieren – sie wirkt auch auf das gelieferte Gain und damit die Verzerrung.

Dazu aber gleich noch mehr. Zurück zum Green Mode. Der Sound ist organisch und absolut dicht. Mit Hilfe der vor der Gainstufe arbeitenden Klangregelung lässt sich ein Klangspektrum erzeugen, das von unwiderstehlich warmen Jazzsounds, bis zu glockig brillanten Arpeggiosounds reicht. Aber auch knackige Funksounds im typisch amerikanischen Stil sind problemlos realisierbar (siehe PG Gear Check). Die Ansprache des JVM ist sehr direkt – die Dynamik wirklich ein Hammer. Im Orange- und Red Mode werden nach der Klangregelung eine bzw. zwei weitere Gainstufen addiert. Dadurch erhält der Sound mehr Punch und der Amp lässt sich einfacher übersteuern. Außerdem wird der Volumeregler zurück ins Spiel gebracht. Auf diese Weise sind bei höheren Gainsettings auch sahnige und sehr warme Blues-Leads im Angebot – ohne das man als Gegenleistung dafür gleich seine Hörfähigkeit riskieren würde. Und wieder ist es die überwältigende Dynamik des JVM, die begeistert – da ist Leben in der Bude!

Die drei Modes des Crunch-Kanals nehmen uns mit auf eine Reise durch die Welt klassischer Marshall Vintage-Overdrive Sounds – je nach gewähltem Modus im typischen JTM45 und Plexi Gewand oder im legendären JCM800 Stil. Der Red-Modus setzt dem ganzen dann die Krone auf und verwöhnt mit der Attitüde eines Hot Rodded JCM800. Der Sound des JVM ist einfach genial und unglaublich lebendig und dynamisch – egal ob angezerrte Bluessoli, oder gechrunchte AC/DC Chordsounds: Der JVM kann liefern. Aber auch Dropper werden bestens bedient. Denn nicht nur Drop D Riffs kommen differenziert und mächtig rüber. Selbst Drop C Megaschieber betreut der JVM souverän und ohne Matsch. Okay, natürlich liefert der JVM im roten Crunchmode noch nicht soviel Gain, dass man dirket von einem HiGain Sound reden könnte. Aber viele Gitarristen des „Nu-Biz“ verwenden für ihre Riffs gar nicht soviel Distortion – deshalb klingen ihre Scheiben auch so differenziert!

Mehr unter Dampf gesetzt wird der Amp dann im OD 1 Kanal – die ideale Spielwiese für alle Freunde intensiver HiGain Sounds im Stil der legendären Marshall Soundmonster JCM900, DSL und TSL. Entsprechend amtlich geht es zur Sache. Wer den ultimativen Lead-Sound im Stil eines „frühen“ Joe Satriani, oder eines Yngwie Malmsteen sucht, wird vor Freude weinen (na, ja. Kann ja sein!). Die Performance ist durchsetzungsfähig, ohne dabei zu harsch oder rau zu werden. Dank der sehr effektiven Klangregelung, lässt sich der Sound zielgenau in die Richtung drücken, auf die der User steht: Messerscharf und rasant, oder smooth und gebunden – alles geht.

Doch das ist noch nicht das Ende. Denn der JVM hat ja noch einen Kanal in der Hinterhand. Und OD2 schmeißt in Sachen Gain noch mal ein ordentliches Schüppchen Kohle in den Kessel. Tatsächlich ist das gelieferte Gain ein Hammer.Vom Grundsound ähnelt der OD 2 Kanal dem OD1, bietet allerdings, das eben schon erwähnte Gainplus. Außerdem wurde die Klangregelung geschmackvoll modifiziert, indem man die Zenterfrequenz des Mittenregels von marshalltypischen 650Hz auf 500Hz abgesenkte. Auf diese Weise lassen sich alle erdenklichen Lead- und Modern Metal Sounds realisieren – Scooped Sounds schieben so brachial los, dass man wirklich nach Luft ringt. Und genau wie im OD 1 Kanal bleibt die Performance auch hier zu jederzeit souverän und „matschless“.Und auch die Nebengeräusche sind für einen Amp mit einem solch massiven Gainaufkommens absolut im Rahmen. Im Vergleich mit den meisten anderen Amps der HiGain Abteilung bewegt sich der JVM am unteren Ende der „Rausch und Brumm-Skala“.

Fazit

Nach einer langen Zeit des Wartens ist es Marshall mit dem JVM gelungen, sich eine würdige neue Gallionsfigur vor den Bug zu schnallen. Der JVM kann alles, was die Papierform verspricht – und mehr. Die Sounds sind Röhre pur und überzeugen in allen 12 Modes mit einer überwältigenden Dynamik und einer erstklassigen Spielbarkeit. Die unglaublich flexible klangliche Basis, wird durch die umfangreichen Zusatzfunktionen und die Programmierfunktionen optimal verwaltet, so dass uns kein Gebiet und kein Stil einfällt, in dem der JVM keinen Top-Job abliefern würde. Das alles, gepaart mit einer erstklassigen Verarbeitung und einem absolut coolen Preis, macht den Amp zu einem harten Gegner im Ring der Superamps! Chapeau!

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